Erfahren Sie mehr über die Herz-Jesu-Kirche Lützenhardt und ihre Geschichte!
Unsere Kirche wurde zwischen 1903 und 1905 im neugotischen Stil erbaut. Architekt war Josef Cades aus Stuttgart. Die Kirchweihe fand am 26. Oktober 1905 mit Bischof Dr. Wilhelm von Keppler aus Rottenburg statt. Erster Pfarrer war Alfons Knoblauch († 1929 in Saulgau).
Die architektonischen Gliederungen sind aus Buntsandstein, sehr zurückhaltend und nüchtern im Schmuck. Durch ihre Lage, auf dem Kirchberg, ist ist die Herz-Jesu Kirche für den Ortsteil Lützenhardt ein hervorstechendes Bauwerk. Schon die äußere Gestaltung lässt auf die Würde des Innenraumes schließen.
Der Turm prägt das Ortsbild. Er trägt vier Bronzeglocken, eine Herz-Jesu-Glocke (auf diesen Titel ist die Kirche geweiht) aus dem Jahre 1905 in es´gestimmt, eine Marienglocke von 1978 in ges´, eine Josefsglocke (1981) in as´und eine Martinusglocke (der Kirchenpatron der Filialgemeinde Pfalzgrafenweiler und der Diözesanpatron) in ces´(1981). Die gesamte Klangstruktur der Glocken ist von hervorragender Klarheit.
1981 wurde die Kirche außen neu renoviert worden mit Mineralfarben. Die Innenrenovation wurde 1973/75 durch Herrn Architekt Schilling, Rottenburg a.N. und durch den Bildhauer Alfred Appenzeller, Horb-Altheim, durchgeführt.
Von der ursprünglichen Innenausstattung der Kirche blieb nichts erhalten. Die Gründe dafür sind:
- eine schon vorhergegangene Renovation im Jahre 1936
- schlecht und nur stückweise erhaltene Teile dieser Renovation.
Ebenso wurde die künstlerisch nicht wertvolle und durch starke Setzungsrisse beschädigte Malerei nicht erhalten. Der Fußboden der Kirche ist aus englischem Schiefer, der sich dem heimischen Sandstein gut anpasst. Einzig erhalten blieb die Rosette in der Westfassade, in ihrer ursprünglich neugotischen Ornamentik.
Wir beginnen mit unserer Kirchenführung am Portal der Kirche. Die Türe ist ein Aluminiumguß, der nur durch die natürlichen Verformungen des Materials seine Struktur erhält. Wir durchschreiten den Windfang und sehen auf der linken Seite Heilige stehen. Die Heiligen sind uns zeitlich am nächsten. In diesem Ablauf machen wir unseren Rundgang durch die Kirche: Im zeitlichen Rückschritt von unserer Zeit aus zurück zu dem, was uns überliefert wurde, zurück zu der Person Jesu Christi.
Da ist Augustinus (Kirchenlehrer 354-430), in Nordafrika, Bischof von Hippo Regius, der gegenüber den Heiden und Irrlehrern den Glauben der Kirche verteidigte. Berühmt ist seine Schrift „Bekenntnisse“ (confessiones) und „Über den Gottesstaat“ (de civitate Dei).
Rechts neben ihm ist die Statue des größten Theologen des Mittelalters, Thomas von Aquin (1225-1274). Im Habit (Ordenskleid) der Dominikaner dargestellt, verkörpert er den Zusammenhang von Wissenschaft und Theologie. Er wird als Doktor angelicus (engelsgleicher Gelehrter) bezeichnet, weil er die Schriften des Aristoteles und des Augustinus zu einem philosophisch-theologischen System zusammenfasste. (Sein Hauptwerk: „Summa theologica“, 1265-1273, und Summa contra gentiles“, gegen die Heiden).
Neben ihm sein Lehrer, ein Schwabe, Albertus magnus (Albert Graf von Bollstädt, gb. In Lauingen 1193, gest. in Köln 1280). Er besaß für seine Zeit ungewöhnliche naturwissenschaftliche Kenntnisse.
Daneben ein Theologe aus dem Osten, Johannes Chrysostomus (345-407), genannt der Goldmund wegen seiner bewegenden und tiefgehenden Predigten.
Diese Heiligen haben über Jesus von Nazareth berichtet, über sein Leben und Wirken, über die Auseinandersetzung mit ihm, über die Auseinandersetzung des Christentums mit der Philosophie und die Auswirkung in der Kulturgeschichte. Sie haben die Geschichte des christlichen Abendlandes mitgestaltet und bestimmen sie noch bis in unsere Zeit. Die Heiligen schauen uns an, fordernd und bittend, uns und alle, die in diese Kirche kommen. Thomas von Aquin aber schaut hinüber zur gegenüberliegenden Seite. Dor ist die Geschichte dieses Jesus von Nazareth dargestellt, dem er sein Leben und Denken gewidmet hat. Wir beginnen wiederum so, wie uns die Geschichte dieses Jesus von Nazareth zeitlich am nächsten liegt. Er wurde begraben, er wurde gekreuzigt, er trug sein Kreuz, wurde verurteilt.
Wir gehen den „Kreuzweg“ langsam entlang und kommen zu der Stelle, wo er von Pilatus verurteilt wurde, ungefähr im Jahre 30 unserer Zeitrechnung, einem geschichtlichen Datum: Jesus, eine historische Person! Das ist der Beginn der Auseinandersetzung mit diesem besonderen Mann, diesem Jesus von Nazareth, von dem das ganze Altertum und Mittelalter berichtet. Über den wir Aufschriften haben von seinem Tod, von seiner Verurteilung. Dann interessiert es uns schon, woher dieser Mensch kommt. Was war er, bevor er erwachsen wurde; was war der Anlass zu seiner Hinrichtung?
So gehen wir an der gleichen Seite weiter, einen Schritt nach vorne. Dort ist eine Statue aufgestellt. Jesus als Kind im Arm seiner Mutter, „geboren von einer Frau“, Mensch wie wir, in allem uns gleich, außer der Sünde. Der Blumen- und Kerzenschmuck ehrt den Sohn und die Mutter. Maria ist für uns ein Vorbild des glaubenden und vertrauenden Menschen. In der Kindheitsgeschichte des Evangelisten Lukas wird uns von ihrem vorbehaltlosen Glauben berichtet: Siehe ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast.
An dieser Ecke des Altarraumes steht der Ambo (Lesepult), aus dem Material des Schwarzwaldes gehauen, aus Buntsandstein. Die Bewegung, die wir bislang gegangen sind, greift eine Vertiefung im Stein in Form eines Pfeiles auf und er weist uns die Richtung weiter. An diesem Lesepult wird heutzutage verkündet von diesem Jesus von Nazareth als dem Christus, dem Sohn Gottes.
Hier werden die Schriften der Propheten, Apostel und Kirchenväter vorgelesen, hier werden sie in Erinnerung gebracht und auf unsere heutige Zeit hin überdacht: die Geschichte dieses einfachen Juden aus Nazareth, die Bewegung, die er auslöste und das Wirken der Frauen und Männer, die von ihm begeistert waren und an ihn glaubten als den Messias, den Gesalbten und Gesandten Gottes.
Aber wir gehen weiter, hinüber zur anderen Seite des Querschiffs. Dort finden wir an der Wand eine andere Darstellung der Kreuzigung (Bildhauer Eisele, Stuttgart 1936). In ihrer Gestaltung drückt sie anderes aus als die Kreuzigung, die wir schon vorher beim Kreuzweg betrachtet haben. Jesus ist nicht als Sterbender dargestellt. Obwohl angenagelt, löst er sich gleichsam vom Kreuz in betender Haltung. Die Begleitfigur im roten Gewand, Johannes der Evangelist, weist auf Jesus hin: Seht, das ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er lebt, obwohl er für uns am Kreuze starb. Die Mutter Jesu, auf der anderen Seite, verschränkt die Arme, trauernd, in sich hineinhörend, nachsinnend und doch in allem auf Gott vertrauend.
Unter dieser Kreuzigungsgruppe, die die Auferstehung und die Königsherrschaft Jesu Christi schon ahnen lässt, wird getauft. „Wir sind getauft auf den Tod und die Auferstehung unseres Herrn“. So steht bei dieser Gruppe der Osterleuchter mit der Osterkerze, Licht der Auferstehung, Zeichen des Lebens, Zeichen ewigen Lebens.
Der Taufstein selber ist nicht zur Aufbewahrung des Taufwassers bestimmt, sondern liturgischer Ort der Wiedergeburt des an Christus glaubenden Menschen.
Beide Bewegungen – rechts von der Geburtsdarstellung (Marienstatue) über den Lespult hinweg und links von der Darstellung des Todes und der Auferstehung Jesu – werden zusammengefasst, wie in einer Trichterform, die in die Vorderseite des Altares eingemeißelt ist. Hier, in der Mitte des Chorraumes, kulminiert und zentriert sich dieses Geschehen: Jesus wird Mensch, lebt unter Menschen und offenbart Gott, stirbt für uns am Kreuz, überwindet in der Auferstehung den Tod, lebt. Hier versammelt sich die Gemeinde, wenn sie Eucharistie feiert, Dank sagt für dieses Geschehen in der Geschichte. Der Altar ist ein monolithischer Sandsteinblock: Christus der Eckstein, der Grund und das Haupt der Kirche, das Zeichen Gottes unter den Menschen. Zu seinem Gedächtnis und als Vermächtnis werden Brot und Wein auf diesem Altar zu Leib und Blut Christi, zum Zeichen seiner bleibenden Gegenwart.
Hinter dem Altar, aus dem gleichen Stein wie die Muttergottesstele, der Ambo, der Taufstein und der Altar, gleichsam wie ein Baum, wie eine Knospe, steht die Tabernakelstele, die den eigentlichen bronzenen Tabernakel wie ein Kleinod umfasst. In ihm sammelt sich dieses ganze Geschehen. Nicht nur geschichtliche Erinnerung, nicht nur situationsbedingter Vollzug, nicht nur Symbol, sondern andauernde, wirkliche und wirkende Gegenwart des Herrn unter uns.
Treten wir heran zum Tabernakel, betrachten wir seine Türe. Wir sehen in einer Vertiefung aufgenommen die Richtung von der rechten Seite (Kreuzweg) und eine Bewegung, die von oben kommt. Zeit und Ewigkeit begegnen sich in Christus. In der angedeuteten Kugelform verdichtet und konzentriert sich diese Begegnung. In der Form der Hostie wird deutlich, dass Jesus Christus Gott und Mensch in sich schließt. Die Gemeinde umschließt das Ganze in ehrfürchtigem Abstand, aber hinausstrahlend in unsere Welt.
Das theologische Konzept unserer Kirche wird unterstrichen und unterstützt durch die Gestaltung und Farbgebung der Fenster. Entwurf: Hans Schreiner, Stuttgart 1974. Ausführung: Fa. Derix, Rottweil.Im Schiff finden wir durch Blau- und Grautöne die Horizontale betont. Die Farbigkeit wird zum Chor hin kräftiger: Wir suchen im Grau der Geschichte nach Sinn. Diese Bewegung wird unterbrochen durch die Fenster im Querschiff. Die Betonung der Vertikalen erinnert daran, dass durch die Geburt Jesu Gott in unsere Geschichte trat. In der Auferstehung Jesu spricht Gott in unsere Welt hinein und bestätigt Worte und Werke Jesu. Blau- und Rottöne vermischen sich, Göttliches wird im Menschen sichtbar. Eine ganz andere Farbigkeit haben die Chorfenster. Nur im Fenster hinter dem Tabernakel leuchtet das Gelb: unbegreifliches Geheimnis, aber Wirklichkeit der Gegenwart Gottes.
Die renovierte, neugotische Herz-Jesu-Kirche zeigt uns den Weg durch die Geschichte des Christentums – ausgehend von der Gegenwart bis zurück zur Geburt Jesu. Durch einzelne Statuen und Bilder erhalten wir Anhaltspunkte, die Wirkkräftigkeit des christlichen Glaubens nachzuvollziehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Gemeinde am Ort zu lebendigen Steinen aufgebaut wird durch die Sakramente der Kirche und das Wort Gottes, das in unserer Kirche verkündet wird.
Verfasst vom früheren Pfarrer unserer Gemeinde Paul Rathgeber
Bilder von Eugen Witzelmaier
Quellen:
– Chronik der Pfarrei Heiligenbronn-Lützenhardt
– Aufzeichnungen von Prof. Dr. Dr. G. Merkle
– Chronik der Gemeinde Lützenhardt, G. Sonnenberg